Die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD hat sich ambitionierte Ziele gesetzt – insbesondere beim Thema Bauen, Wohnen und Klimaschutz. Der Koalitionsvertrag markiert einen Kurswechsel, der alle Marktteilnehmer betrifft: Eigentümer, Mieter, Investoren sowie künftige Käufer. Die Richtung ist klar: mehr Wohnraum schaffen, den Gebäudebestand klimafit machen und gleichzeitig den sozialen Wohnungsbau ankurbeln.
Mehr Tempo beim Wohnungsbau
Ein zentrales Versprechen der Koalition ist es, den Wohnungsbau erheblich zu beschleunigen. Die Regierung plant, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen – davon 100.000 öffentlich geförderte. Zum Vergleich: Im Jahr 2024 wurden laut Statistischem Bundesamt lediglich rund 233.000 Wohnungen fertiggestellt – ein Rückgang von mehr als 25 % im Vergleich zu 2021. Die Lücke zwischen Bedarf und tatsächlichem Neubau ist also erheblich.
« Wir stehen vor einer historisch angespannten Marktlage – auf mehreren Ebenen zugleich. Bezahlbarer Wohnraum ist knapp, Genehmigungsverfahren ziehen sich in die Länge, und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Neubauten sind äußerst volatil. In der Praxis wird zunehmend deutlich, wie groß die Kluft zwischen tatsächlichem Bedarf und politischen Handlungsmöglichkeiten ist. Dabei gerät oft in Vergessenheit, dass jedes Bauvorhaben ein Zusammenspiel aus Bedarf, verfügbaren Mitteln und Zeit darstellt. Wohnraum lässt sich nicht auf Knopfdruck schaffen – erst recht nicht in einem System, das träge auf Veränderungen reagiert. Wohnraumpolitik darf kein Reparaturbetrieb sein, sondern muss als zentrale Zukunftsaufgabe der Gesellschaft verstanden werden. »
Apostolos Bibudis, General Manager iad Deutschland
Um das zu ändern, setzt die Koalition auf eine umfassende Reform des Baugesetzbuchs. Bereits in den ersten 100 Tagen der Legislaturperiode soll eine Vorlage für ein beschleunigtes Bauverfahren vorliegen. Geplant sind vereinfachte Genehmigungsprozesse, digitale Planungsverfahren sowie eine stärkere Unterstützung von Kommunen und Genossenschaften.
Neu eingeführt werden soll zudem der sogenannte „Gebäudetyp E“ – E steht für „einfach“. Damit können Bauherren bewusst auf überregulierte Standards verzichten, um schneller und günstiger zu bauen. Auch serielles und modulares Bauen soll gefördert werden, etwa durch standardisierte Ausschreibungen bei öffentlichen Bauvorhaben.
Der neue Klima-Pass für Neubauten
Einer der größten Innovationen im Bauwesen ist der geplante Klima-Pass. Dieser soll ab 2025 für alle Neubauten verpflichtend sein und die CO₂-Bilanz eines Gebäudes über den gesamten Lebenszyklus hinweg ausweisen – von der Herstellung der Baumaterialien bis zum Rückbau.
Der Pass soll als eine Art „ökologischer Personalausweis“ für Gebäude fungieren. Ziel ist es, mehr Transparenz zu schaffen und Investoren sowie Bauherren zu motivieren, klimafreundlicher zu planen. Gleichzeitig sollen durch den Klima-Pass ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) leichter überprüfbar werden – ein wichtiger Faktor für institutionelle Investoren.
Änderungen beim Heizen: technologieoffen, aber zielgerichtet
Reform des Gebäudeenergiegesetzes (GEG): Anders als ursprünglich im Heizungsgesetz vorgesehen, sollen Eigentümer künftig mehr Flexibilität bei der Wahl ihrer Heizsysteme haben. Die Koalition setzt auf technologieoffene Lösungen – Wärmepumpen, Fernwärme, Biomasse oder moderne Gasheizungen mit Wasserstoffanteil sollen je nach Gebäudetyp möglich sein.
Allerdings gelten bestimmte Effizienzvorgaben. Neue Heizsysteme müssen einen rechnerisch bestimmten Emissionswert unterschreiten. Die Bundesregierung plant, den CO₂-Ausstoß im Gebäudesektor bis 2030 um mindestens 40 % im Vergleich zu 1990 zu senken. Förderprogramme der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) sollen bei der Umrüstung helfen – mit zinsgünstigen Darlehen und direkten Zuschüssen. Laut Bundesbauministerium stehen für energetische Sanierungen und den Heizungstausch allein im Jahr 2025 rund 14,5 Milliarden Euro an Fördermitteln bereit.
Steuerliche Anreize und Förderprogramme
Ein zentrales Element der Wohn- und Klimapolitik sind steuerliche Anreize. Die Regierung plant die Einführung erweiterter Sonderabschreibungen für den Neubau energieeffizienter Mietwohnungen. Im Gespräch ist ein Abschreibungssatz von bis zu 5 % jährlich über einen Zeitraum von sechs Jahren – allerdings nur für Projekte, die bestimmte Effizienzstandards (EH 40 oder EH 55) erfüllen. Darüber hinaus sollen bestehende Förderlandschaften vereinheitlicht und vereinfacht werden.
« Wenn wir wirkliche Fortschritte im Wohnungsbau erzielen wollen, müssen wir die zentralen Stellschrauben neu justieren – vor allem in der Verwaltung. Genehmigungsverfahren gehören modernisiert: digital, schlank, nachvollziehbar – und versehen mit verbindlichen Zeitrahmen. Parallel dazu braucht es klare finanzpolitische Signale: eine überfällige Reform der Grunderwerbsteuer, attraktivere Abschreibungsmöglichkeiten und gezielte steuerliche Anreize für energetische Sanierungen. Darüber hinaus sollten wir den Blick weiten: Viele zukunftsweisende Ansätze entstehen nicht im nationalen Alleingang, sondern im Austausch mit europäischen Partnern, die in vielen Fragen mutiger und lösungsorientierter vorangehen. »
Apostolos Bibudis, Managing Director iad Deutschland
Regulierung: Wo endet der Spielraum?
Nicht alle Vorhaben stoßen auf Zustimmung. Besonders aus der Immobilienwirtschaft kommt Kritik: Der Präsident des Immobilienverbands ZIA bezeichnete den Koalitionsvertrag als „zu ambitioniert, zu vage und finanziell unausgegoren“. Auch kleinere Investoren befürchten, dass durch neue Auflagen wie den Klima-Pass oder strengere Effizienzanforderungen die Baukosten weiter steigen könnten. Der Verband der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV) sieht im Koalitionsvertrag wichtige Ansätze, bemängelt jedoch fehlende konkrete Umsetzungsperspektiven. Es fehlen klare Strategien zur Wohnraumschaffung und Eigentumsförderung, was zu Unsicherheit in der Branche führt.
Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen sieht im Koalitionsvertrag einen „riesigen Schritt nach vorne“ für den Wohnungsbau. Besonders positiv bewertet werden die geplante Einführung eines Investitionsfonds für bezahlbaren Wohnraum, die Förderung des genossenschaftlichen Wohnens und die Anerkennung der Rolle kommunaler Wohnungsunternehmen.
Gleichzeitig steigen die Material- und Arbeitskosten weiter: Laut Baukostenindex haben sich die Preise für Bauleistungen zwischen 2020 und 2024 im Schnitt um über 20 % erhöht. Die Koalition will diesem Trend entgegenwirken – unter anderem durch eine Senkung der Grunderwerbsteuer für Ersterwerber, ein zinsverbilligtes KfW-Programm für den Kauf von Bestandsimmobilien sowie eine Entbürokratisierung des Bauplanungsrechts.
« Es ist ein wichtiges Signal, dass der Wohnungsbau wieder politische Aufmerksamkeit erhält – ein eigenes Ministerium unterstreicht das. Auch die Schlagworte wie ‚Baubeschleunigung‘, ‚digitale Verfahren‘ oder ‚serielles Bauen‘ zeigen in die richtige Richtung. Doch Worte bauen keine Wohnungen. Was fehlt, ist ein konsequenter Abbau von Hürden – in der Verwaltung, bei der Förderung und im gesetzlichen Rahmen. Wer mehr Wohnraum will, muss Abläufe verschlanken statt sie weiter zu verkomplizieren. Besonders auf kommunaler Ebene geraten viele gute Ideen ins Stocken. Der Koalitionsvertrag liest sich wie ein ambitioniertes Versprechen – leider mit zu vielen Vorbehalten. Was jetzt zählt, sind nicht neue Slogans, sondern entschlossene Umsetzung. »
Apostolos Bibudis, Managing Director iad Deutschland
Chancen für ESG-Investoren
Trotz der Herausforderungen ergeben sich neue Chancen – insbesondere für Investoren mit Fokus auf Nachhaltigkeit. ESG-konforme Immobilien sind stark nachgefragt, nicht zuletzt, weil institutionelle Investoren wie Versicherungen, Pensionsfonds oder Banken an Nachhaltigkeitskriterien gebunden sind.
Die Einführung des Klima-Passes, die steuerlichen Anreize und die politische Priorisierung klimafreundlicher Bauweisen stärken diesen Trend. Wer frühzeitig in nachhaltige Sanierungen investiert, profitiert nicht nur von Fördermitteln, sondern sichert sich langfristig einen Wettbewerbsvorteil.
Besonders attraktiv sind:
- Revitalisierte Bestandsimmobilien, z. B. energieeffizient sanierte Bürogebäude mit Smart-Technologien in Städten wie Düsseldorf oder Berlin.1
- Klimaneutrale Neubauquartiere, etwa das Projekt „Im Rosenfeld“ in Bonn mit über 800 Wohneinheiten, geplant nach CO₂-neutralen Standards.1
- ESG-orientierte Fonds, die gezielt in energieeffiziente Gewerbe- und Wohnimmobilien investieren und stabile, nachhaltige Renditen versprechen.2
Mieterschutz und soziale Flankierung
Auch für Mieter gibt es relevante Neuerungen: Die Koalition plant eine Verlängerung der Mietpreisbremse bis mindestens 2029. In angespannten Wohnungsmärkten dürfen Mieten bei Wiedervermietung höchstens 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Zusätzlich soll der Anstieg von Bestandsmieten auf 11 % in drei Jahren (statt bisher 15 %) begrenzt werden.
Zudem soll der Wohnungsbestand der öffentlichen Hand ausgebaut werden. Kommunale Wohnungsbaugesellschaften erhalten mehr Spielraum und Fördermittel, um dauerhaft günstige Mietwohnungen anbieten zu können. Damit reagiert die Regierung auf den enormen Druck auf dem Mietmarkt: In Städten wie München, Hamburg oder Frankfurt liegt die durchschnittliche Angebotsmiete laut Immowelt mittlerweile bei über 17 Euro pro Quadratmeter.
„Was der Markt jetzt braucht, lässt sich auf drei Begriffe bringen: Vertrauen, Klarheit und Mut. Vertrauen in die Stabilität und Zukunftsfähigkeit des Wohnungsmarktes. Klare, verlässliche politische Signale, die Investitionen fördern statt behindern. Und Mut – von Projektentwicklern, Finanzierern und politischen Entscheidungsträgern gleichermaßen. Es braucht eine neue, gemeinsame Erzählung: Wohnen ist eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe, kein Spielball parteipolitischer Interessen. Wir bei iad stehen für offene Märkte, für europäische Zusammenarbeit – und für eine Immobilienbranche, die aktiv zur Lösung beiträgt, statt als Teil des Problems wahrgenommen zu werden. »
Apostolos Bibudis, Managing Director iad Deutschland
Fazit: Neue Regeln, neue Dynamik
Die politische Neuausrichtung im Bereich Wohnen, Bauen und Klimaschutz bringt Bewegung in den Immobilienmarkt. Wer bauen, kaufen oder investieren will, muss sich auf veränderte Rahmenbedingungen einstellen – und bekommt zugleich neue Chancen.
Für Eigentümer bedeutet das: Investitionen in energetische Sanierung und Heizungssysteme werden Pflicht – aber auch gefördert. Für Investoren eröffnen sich Perspektiven im ESG-Bereich. Und für Mieter besteht Hoffnung auf Entlastung durch mehr sozialen Wohnraum und Mieterschutz.
Die Herausforderung bleibt: Wie schnell lassen sich die politischen Ziele in die Praxis umsetzen? Entscheidend wird sein, ob es der Bundesregierung gelingt, die angekündigten Maßnahmen konsequent, finanziell abgesichert und bürokratiearm umzusetzen. Nur dann wird aus dem Koalitionsvertrag ein echter Kurswechsel – und nicht nur ein ambitioniertes Versprechen.
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Quellen:
1https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/koalition-spd-union-koalitionsvertrag-bauen-wohnen-das-steht-drinnen-100.html
2https://www.immobilienmanager.de/koalitionsvertrag-spaltet-die-immobilienbranche-10042025
3https://www.welt.de/finanzen/immobilien/plus253053908/Immobilien-Der-neue-Klima-Pass-fuer-den-Neubau-und-was-er-bedeutet.html
4https://www.capital.de/immobilien/heizungsgesetz-abschaffung–das-plant-regierung-bei-heizen–bauen–wohnen-35585134.html
5https://bi-medien.de/fachzeitschriften/baumagazin/wirtschaft-politik/koalitions-echo-bauwirtschaft-sieht-chancen-und-macht-druck-b19541